Was ist ein Vorbild?
Als ich vor kurzem mit einer Schülerin aus Graz ein Gespräch über ihre Zukunftsperspektiven führte und sie mir gestand, sie hätte nicht die geringste Ahnung, in welche Richtung sie beruflich einmal gehen wolle, weil sie nichts faszinierte, kamen wir auf das Thema Orientierungshilfen, Umwelteinflüsse und Vorbilder.
Von Kindesbeinen an eifern wir jemandem nach – das macht unser Überlebensinstinkt, hätten wir uns damals in der Eiszeit in der Höhle nicht persönlich dafür begeistern können, wie toll der Stammesführer das Mammut (z)erlegt, hätten wir wohl kaum Interesse dafür entwickelt, so etwas irgendwann selbst zustande zu bringen. Nacheifern, nachahmen und Prozesse durch das Gelernte vielleicht einmal verbessern können – das Prinzip und der Sinn dieser Verhaltensweisen ist evolutionär bedingt, intrinsisch motiviert und höchst sinnvoll.
Aus meiner (das ist ein bisschen weniger lang her als die Eiszeit) vormaligen Schüler_innenperspektive waren meine größten Vorbilder jahrelang meine Eltern – immerhin hatten sie die Matura geschafft, die ich so fürchtete, sich gefunden und verliebt und Kinder in die Welt gesetzt – alles Dinge, die in meiner Vorstellung von einem erfüllten Leben unbedingt Platz finden mussten. Einen großen Faktor übersah ich allerdings, weil er nicht so offensichtlich herausstach und im Endeffekt halte ich diesen für den wichtigsten von allen: Meine Eltern sind glücklich. Sie können sich an Kleinigkeiten erfreuen, wissen ein gemeinsames Frühstück genauso zu schätzen wie einen Familienurlaub und leben bewusst in jeden Tag. Da ich mir diese Attribute unbewusst ebenso angeeignet habe, bin ich nach wie vor froh darüber, dass ich die Welt nun auch so wahrnehmen kann.
Egal ob die Eltern, die erste Kindergärtnerin, Disneys Mulan, eine kompetente und verständnisvolle Lehrperson, Karl Marx oder der Busfahrer, der jeden Tag trotz unzumutbarer Uhrzeit und Temperatur freundlich grüßt – Vorbilder finden wir überall. Wir orientieren uns an ihnen, um selbst glücklichere Individuen zu werden, die sich in ihrer Umwelt wohlfühlen und sich in soziale Gefüge integrieren können. Dass diese Funktion während unserer verschiedenen Entwicklungsstufen immer wieder von verschiedenen Personen, Tieren oder fiktiven Figuren verkörpert wird, ist völlig normal, immerhin verändert sich ja auch unsere Einstellung im Laufe unseres Heranwachsens des Öfteren.
Oft.
Sehr oft.
Vor allem in der Pubertät.
Wichtig ist nur, irgendwann darüber zu reflektieren, was der Grund für unser Erkennen einer Vorbildfunktion war und was wie wir das Gelernte nutzen können, um für unser Handeln, unsere Ansichten und unser persönliches Wohlbefinden Verantwortung übernehmen zu können. Mehr darüber erfahrt ihr morgen.
Schönen Sonntag!
Eure Stephanie Gaberle, Nachhilfelehrerin in Deutsch, Englisch und Latein.
Kommentar schreiben