Anhand einer Geschichte, die ich aktuell mit einer Nachhilfeschülerin erlebe und die mich ein wenig aufregt, wollte ich mich einmal darüber ereifern, wie wichtig es ist, richtiges Feedback zu geben.
Meine Schülerin ist knapp 18 Jahre alt, kommt wegen Englisch freiwillig einmal in der Woche in unser Institut und hat in der kurzen Zeit, in der ich sie kenne, schon einen gewaltigen Schritt nach vorne gemacht: Sie traut sich jetzt, Englisch zu reden. Wenn man im Unterricht ständig in der Angst lebt, dass jeder Satz mit einem Fehler darin oder jegliche Unklarheit in einem Text sofort mit einer negativen Note bewertet wird, ist es verständlich, dass man den Mund irgendwann nicht mehr aufmachen möchte geschweige denn sich auf die schriftliche Matura freut.
Die Aufgabenstellung in der Schule lautete, einen „letter of complaint“ zu schreiben und meine Schülerin hat jeden Bullet Point erfüllt, hat nicht ansatzweise so viele Fehler verzettelt, dass ein 5er gerechtfertigt wäre und bekommt trotzdem einfach mal einen. Bumm. „Confusing.“
Keine weitere Anmerkung, keine konstruktive Kritik, kein Verbesserungsvorschlag. Auf ein Nachfragen meiner Schülerin hin kam noch die Begründung, sie hätte „nicht die gleichen Phrasen wie im Buch“ verwendet. Dass besagte gern in Beschwerdebriefe integrierten Phrasen aber nicht immer zwingend aus demselben Wortlaut bestehen müssen, kam nicht zur Sprache, anscheinend ist es sicherer, sich 1:1 an die Vorgaben im Buch zu halten, um als Lehrperson eine leicht zu korrigierende, standardisierte Erfüllung der Aufgabe zu erhalten. Dass dies meiner Schülerin suggeriert, sie dürfe nichts mehr ausprobieren, sie mache so viel falsch, dass sie nichts schaffe und ihre eigenen Ansätze seien nicht richtig, wird anscheinend nicht bedacht. Warum denn auch?
Stephanie Gaberle,
Nachhilfelehrerin für Englisch und Deutsch
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